Professor Dr. Peter Rautmann: Rede zur Verleihung des ars loci-Preises 2013

Prof. Dr. Peter Rautmann: Rede zur Verleihung des ars loci-Preises 2013

Für die Holzskulpturen von Reinhard Osiander aus Bremen ist das Thema der diesjährigen ars loci – Ausstellung „Menschenbilder“ zentral. Erscheinen seine auf den ersten Blick vertrauten Sujets wie Familie, Mutter und Kind, spielende Kinder leicht zugänglich, so irritiert die Statuarik, reduzierte Gestik und entschiedene Frontalität der Figurenensembles den Betrachter nachhaltig, sie halten Ihn auf Distanz. Zur Irritation trägt auch das Unverbundene der Figuren wie in „Familienglück II“, aber auch die Aufgabe der Erwachsenen- zugunsten der Kinderperspektive wie in „Vorhang(gelb)“, in der das sitzende Kind von mächtigen, hochformatigen Vorhangblöcken gerahmt wird.

Das Vertraute wird unvertraut und lädt zu näherer Betrachtung ein. Dabei entfaltet sich ein reiches Vokabular der Materialbearbeitung des Holzes, die von groben, rauhen Sägeschnitten in den Körpern, die diesen eine strenge Architektonik verleihen, bis zu sorgfältiger Durcharbeitung der Köpfe reichen; diese sind nicht expressiv aufgeladen, sondern strahlen Ruhe aus, sind in sich gekehrt. Als zusätzliches Element tritt in den letzten Jahren immer stärker die Farbe in den Holzskulpturen hinzu, wobei öfter die ornamentale Textur der Kleidung, farbig gehöht, bereits in der plastischen Durcharbeitung der Holzoberflächen angelegt ist. Schließlich schafft Osiander durch die Einbindung von Raumelementen wie Wandteile, Bodenplatten und Vorhängen den eigenen Raum der Kunstobjekte zu betonen, der sie einerseits vom Betrachter trennt, wie auch assoziativ-motivlich eine Brücke zu ihm schlägt.

Alle diese Elemente sind selbständig und treten zugleich in ein Geflecht formaler, farbiger und inhaltlicher Beziehungen, die ein Spannungsfeld schaffen und den Betrachter einladen, über die eigenen Vorstellungen, Prämissen, Haltungen im Kommunikationsfeld menschlicher Beziehungen nachzudenken – und dies durchaus lustvoll.

Besonders beeindruckend ist die Installation der skulpturalen Arbeiten Reinhard Osianders in der St. Martinskirche. Hier gelingt dem Künstler eindrücklich durch die Einbindung seiner Skulpturenensembles in den Kirchenraum und die Konfrontation mit der vorhandenen Ausstattung des Raumes ein intensiver Dialog zwischen alt und neu, zwischen der Tradition des Menschenbildes und seiner eigenen, aktuellen Ausformung und Gestaltung.