Anlässlich der Meisterschülerausstellung der Hochschule für Künste Bremen, 2004
Die „figürliche Bildhauerei“ kennt eine bemerkenswerte hohe Popularität, die eigenartig mit dem Brechreiz kontrastiert, den manche Fachleute bei der Betrachtung dieser Kunst vortäuschen. Popularität und Ablehnung basieren jedoch auf dem gleichen „figürlichen“ Element, nämlich darauf, dass man Menschen erkennt und leider viel zu wenig auf die Würdigung anderer Qualitäten. Eine Diskussion darüber, dass bloß Figur zu wenig ist, findet kaum statt.
Die Holzskulpturen von Reinhard Osiander sind mehr, sie sind voller Spuren. Sie lassen sich als das Resultat eines Prozesses „lesen“. Am Anfang steht die Idee einer figürlichen Darstellung, aber über eine eigentümliche Verbindung von Addition und Konstruktion einerseits und Wegschneiden und Redution andererseits, entfernt sich die Form von diesem Ausgangspunkt.
Osiander nutzt die bildhauerischen Möglichkeiten des Materials mit einem Baumstamm sofort Masse zur Verfügung zu haben und arbeitet daraus oft klobig wirkende, statische Figuren. Das handwerkliche Können ist spürbar, wird aber durch grobe Formen immer wieder gebrochen. Aus den Skulpturen lässt sich somit ein gesunder Zweifel an intakte Zusammenhänge herauslesen: Diese Figuren haben kein geplantes Konzept, sondern sie haben sich entwickelt.
Um sie herum baut Osiander Räume und Bühnen. Für den Maßstab dieser Räume sind die darin enthaltenen einsamen lebensgroßen Figuren essenziell. Indem er unpathetische lebensgroße Figuren in leere Räume setzt, macht er sowohl Existentialisten als auch Liebhabern von großen Formen ein Visuelles Angebot.